Oberbergische Volkszeitung,
10. Juli 2009
Zurück auf dem Gleis
Stadt Wiehl holt alte Pläne für die Wiehltalbahn wieder vor
Nach dem gewonnenen Rechtsstreits hat die Wiehltalbahn eine langfristige
Perspektive. Wie gehen die Anliegergemeinden damit um? Was hat der
Förderverein vor?
REINER THIES
WIEHL. Wiehltalbahn und Anliegerkommunen reden wieder ohne Anwälte
miteinander. Beide Seiten versichern, dass der harte, teils mit
persönlichen Anfeindungen geführte Streit abgehakt ist. Zusammenarbeit
ist angesagt.
Der Wiehler Bürgermeister Werner Becker-Blonigen berichtete kürzlich im
Stadtrat von einem "sachlichen und konstruktiven Gespräch", das er mit
den Wiehltalbahner geführt habe: "Wir werden lernen, miteinander
umzugehen." Um Lösungen für alle Bahnübergänge zu finden, werden alte
Planungen wieder aufgenommen. Die landeten im September 2006 in der
Schublade, als der damalige NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke es "einen
Treppenwitz der Stadtgeschichte" nannte, wenn wegen der Wiehltalbahn
noch viel Geld in Bahnübergänge investiert würde.
Das Ministeramt ist Wittke längst los, die Bahn ist noch da. Bereits im
nächsten Jahr soll am Wiehler Bahnhof ein Übergang geschaffen werden.
Dafür wird der Bahnsteig nach Osten versetzt und eine Schrankenanlage
installiert. Auf Brücke oder Tunnel kann verzichtet werden, weil es sich
nach Eisenbahnrecht nur um die Verlegung des bestehenden Übergangs
handelt, über den die Homburger Straße 100 Meter weiter östlich die
Gleise quert. Die Stilllegung dieses Übergangs war früher von der
Gartenbedarfshandlung Thiemig-Peitgen abgelehnt worden, weil sie nicht
vom Verkehrsfluss abgeschnitten werden wollte. Dem Investor, der dort
nun Wohnungen baut, ist die Verkehrsberuhigung dagegen ganz recht.
Nebenbei dürfte sich die lange beklagte Überbelastung der Neuwiehler
Straße erledigt haben.
"Die Bahner", lobt Becker-Blonigen, "bemühen sich, die Kosten niedrig zu
halten." 400 000 Euro wird der Übergang am Bahnhof trotzdem kosten. Die
Stadt rechnet mit einer 70-prozentigen Förderung durch das Land.
Auch den zweiten Knackpunkt auf der Wiehler Strecke will die Stadt schon
im kommenden Jahr angehen: Am Bielsteiner Dornseifer-Supermarkt wird
anstelle des wilden Überwegs eine ordnungsgemäße Fußgängerquerung zu
ebener Erde geschaffen. Auch an dieser Stelle wird deshalb der Bahnsteig
verlegt. Die Stadt investiert dafür 150 000 Euro aus dem Konjunkturpaket
der Bundesregierung.
Zahlreiche Problemzonen
Der Wiehler Beigeordnete Thomas Gaisbauer sieht noch weitere
Problemzonen entlang der Strecke. Zwischen Bielstein und Bieberstein
stellten zahlreiche unübersichtliche Kreuzungen von Gleis und Straße
eine Herausforderung an die Verkehrssicherungspflicht dar. Als die
Strecke gebaut wurde, habe es viel Bahn- und wenig Autoverkehr gegeben,
heute sei es umgekehrt. "Und es kann immer passieren, dass ein
Eisenbahner zu hupen vergisst oder ein Autofahrer die Musik zu laut
gestellt hat." Eine Schranke an jedem Gefahrenpunkt könne aber niemand
finanzieren.
Gerhard Mansel hält auch diese Probleme für lösbar. Der Vorsitzende des
Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn hofft, dass der regelmäßige
Touristenverkehr noch dieses Jahr bis nach Waldbröl ausgedehnt werden
kann. Selbst die Denklinger Brücke stelle für diesen Verkehr kein
Hindernis dar: "Die Brücke ist ohne Frage sanierungsbedürftig, aber
nicht einsturzgefährdet und darum befahrbar."
FINANZIERUNGSFRAGEN
Alle Anliegerkommunen müssen erkennen, dass sie als Eigentümer zum
Erhalt der Strecke verpflichtet sind, betont Gerhard Mansel vom
Bahnförderkreis. Wer kein eigenes Geld hat, könne sich um
Denkmalschutzmittel bemühen.
Vor diesem Hintergrund liege es im Interesse der Kommunen, sich
gemeinsam mit dem Bahnförderkreis für den Ausbau der Strecke für einen
regelmäßigen Personennahverkehr einzusetzen. Dafür müssten Land und Bund
Geld zur Verfügung stellen und nicht die Kommunen selbst. Umso
ärgerlicher sei es, wenn der Morsbacher CDU-Bürgermeisterkandidat Kai
Uffelmann ("Deshalb muss ich zur Reaktivierung der Strecke NEIN sagen!")
in seinem Wahlkampf-Flugblatt mit aufgeblasenen Zahlen Stimmung gegen
die Wiehltalbahn mache, schimpft Mansel: "Herr Uffelmann sollte sich
erst einmal kundig machen, bevor er auf Stimmenfang geht."
Wer sich der "Totschlagparole" bedient, dass die Reaktivierung der
Strecke zu teuer sei, sollte bedenken, dass auch der Straßenbau nicht
umsonst ist, sondern nicht selten mehrere Millionen pro Kilometer
kostet, meint Mansel: "Und Schienen sind langlebiger." (tie)
Die Inhaber der Firma
Thiemig-Peitgen äußerten sich daraufhin zur Schließung des Bahnübergangs
in einem Leserbrief.