Presseartikel

Oberbergische Volkszeitung, 7. Januar 2009:

Weichen werden neu gestellt
Die Wiehltalbahn bleibt bestehen - Nun geht es darum, sie zu entwickeln

Die Kommunen strecken die Waffen und akzeptierten das Urteil im Wiehltalbahn-Streit. Nun müssen Lösungen und finanzielle Mittel für die Zukunft mit Gleisen und Bahnverkehr gefunden werden.

REINER THIES

OBERBERG. Einen Tag lang hat es gedauert, bis alle die überraschende Nachricht verdaut hatten, die sie aus unserer Zeitung erfahren durften: Der Rechtsstreit um die Wiehltalbahn geht nicht in die Verlängerung. Gestern schlossen sich auch die Bürgermeister von Wiehl und Reichshof der Kapitulation der Bezirksregierung an.

Reichshofs Bürgermeister Gregor Rolland will zunächst auf die schriftliche Stellungnahme der Bezirksregierung warten, "und dann werden wir uns dem Widerspruchs-Verzicht anschließen". Reichshof sei von der Existenz der Wiehltalbahn nicht so "hart tangiert" wie Waldbröl und Wiehl, aber aus Solidarität habe man sich an den Klagen beteiligt.

Ohne die Bezirksregierung an ihrer Seite will sich auch Wiehls Rathauschef Werner Becker-Blonigen keine blutige Nase holen. "Ich sehe für einen eigenen Antrag auf Berufung keine Basis, wenn die Bezirksregierung ihre eigene Verfügung aufgibt und selbst das Unterfangen nicht weiter betreiben will." Die Bezirksregierung habe mit ihren Statistiken und ihrem Verweis auf den Gesamtverkehrsplan keinen Erfolg gehabt - "was sollen wir denn dann noch vortragen?" Der mit einem eigenen Antrag verbundene Aufwand hätte in keinem vertretbaren Verhältnis gestanden: "Bisher war der Rechtsstreit eine normale Geschichte, doch nun würde es ins Geld gehen."

Die Kritik an den bisherigen Verfahrenskosten kann Becker-Blonigen nicht nachvollziehen. Solch ein Verfahren sei sinnvoll, um Rechtsfragen zu klären. "Dafür sind Gerichte da." Insofern halte er die Gerichtsentscheidung für positiv, auch wenn sie nicht in seinem Sinne ausgefallen ist.

Tatsächlich hätte der Bürgermeister es für sinnvoll gehalten, dass Landes- und Bezirksregierung den Streit weiter ausfechten, um höchstrichterliche Gewissheit zu bekommen. Becker-Blonigen ist deshalb verärgert über den Rückzieher. Aber eine kritische Note an die Bezirksregierung wird es aus Wiehl nicht geben: "Für Hundegebell bin ich mir zu schade."

Die Wiehler Verwaltung wird nun das Gespräch mit der Rhein-Sieg-Eisenbahn (RSE) suchen, die im Auftrag des "Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn" den Schienenverkehr betreibt. Die weit gediehenen Pläne für eine Straßenquerung am Wiehler Bahnhof kommen zu neuen Ehren. Die RSE hatte der Stadt 2006 Pläne für einen Bahnübergang vorgelegt, der 415 000 Euro kosten sollte. 65 Prozent davon sollte das Land zuschießen. Der Auftritt von Verkehrsminister Oliver Wittke im September 2006 machte dieses Projekt zunichte. Anlässlich der Einweihung des Kreisverkehrs am Bahnhof gab der Minister der Bahn so wenig Zukunft, dass er sogar den Bau eines Bahnübergangs für nicht mehr nötig hielt: "Es wäre ein Treppenwitz der Stadtgeschichte, dabei noch viel Geld zu verbauen."

Dieser "Treppenwitz" wird nun Realität. Und darum halten es die Wiehler nur für konsequent, dass die Landesregierung die Zuschüsse überweist.

Der SPD-Landtagsabgeordnete Gero Karthaus hat sich gestern noch einmal als Moderator angeboten. Es gehe jetzt darum, dass sich die politisch Verantwortlichen rasch mit den Freunden der Wiehltalbahn zusammensetzen, um die Bahn gemeinsam für eine Attraktivierung Oberbergs zu nutzen. "Die Ehrenamtler, die sich bislang so engagiert für den Erhalt der Wiehltalbahn eingesetzt haben, haben meine volle Sympathie."

Karthaus kann sich zum Beispiel eine Anbindung nach Gummersbach vorstellen, wo die Wiehltalbahn als "EKZ-Express" Oberberger zum Shopping bringen würde. Das Ziel, den Bahntakt von Gummersbach nach Köln zu beschleunigen, stehe hierzu nicht im Widerspruch. "Die Wiehltalbahn kann durchaus auch Passagiere zum Bahnhof Gummersbach bringen." Die örtliche Politik müsse nun auch rasch die durch das Konjunkturpaket möglichen Fördermittel des Bundes beantragen. Denn hier würden zurzeit Milliarden in die Infrastruktur investiert.

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MORSBACHER REAKTION

Auch die Gemeinde Morsbach wird ihren Widerspruch gegen das Bahnurteil, den Bürgermeister Raimund Reuber vorsorglich beim Verwaltungsgericht eingereicht hatte, vermutlich zurückziehen.

Wenn die Bezirksregierung als "handelnde Behörde" keine weiteren Rechtsmittel ausschöpfe, dann werde das sicherlich auch keine Kommune im Alleingang versuchen. "Wir müssen das Ganze noch einmal genau prüfen", sagte er gestern auf Anfrage, "denn in Morsbach ist die Sache etwas anders gelagert als in Wiehl, Waldbröl und Reichshof". Schließlich sei die Strecke von Hermesdorf nach Morsbach nicht befahrbar, die Viadukte seien baufällig und stellten eine Gefahr dar. "Deswegen haben wir bei Kömpel eine Barriere aufgestellt." (mf)

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INTERVIEW

Wir freuen uns auf konstruktive Gespräche
Gerhard Mansel ist Vorsitzender des Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn. Reiner Thies sprach mit ihm über die Konsequenzen aus dem Rückzug der Bezirksregierung.

Haben Sie mit dieser Entscheidung gerechnet?
Das war für mich schon eine große Überraschung. Die Rechtslage war allerdings eindeutig. Daran hätte sich auch die Bezirksregierung halten müssen, als Quittung hat sie nun eine Lektion bekommen. Ich will die Kommunen nicht in Schutz nehmen, aber das Land hat von Anfang an die falschen Signale gegeben.

Nun wird Ihnen vorgeworfen, dass die Wiehltalbahn oberbergische Industriebetriebe in ihrer Entwicklung behindert.
Die Firmen mussten mit ihren Arbeitsplätzen herhalten, weil es sonst keine Argumente für die Stilllegung gab. Kind und Co. hat in Bielstein gerade eine neue Produktionshalle in Betrieb genommen. Die denken doch nicht im Traum dran, in absehbarer Zeit das Gelände hinter der Bahn zu nutzen.

Wie geht es jetzt weiter?
Wir freuen uns auf konstruktive Gespräche. Wir haben nun eine verlässliche Perspektive für potenzielle Unterstützer, die bisher von dem laufenden Rechtsstreit abgeschreckt wurden. Durch die Prozesslawine ist die Sanierung der Strecke im vergangenen Jahr nicht vorangekommen wie erhofft. Die Sanierung der Brücke im Reichshof kostet Geld, in Brüchermühle müssen wir einen Bahnsteig bauen. Die Querung am Wiehler Bahnhof stellt für uns kein Problem dar, sie könnte noch in diesem Jahr realisiert werden.

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KOMMENTAR

Neue Chance
von REINER THIES zur Wiehltalbahn

Es ist schon bedenklich, dass die Heerschar der Juristen von Ministerium und Bezirksregierung nicht vorhersehen konnte, dass die Gerichte im Eisenbahnrecht keinen Spielraum für eine Abschaffung der Wiehltalstrecke auf dem kurzen Dienstweg sehen würden. Wenn es nun nachträglich zu einer Gesetzesänderung kommt, wird das im Wiehltal keine Konsequenzen haben, denn die Gleise genießen Bestandsschutz.

Erfreulich wäre es jetzt, wenn sich beide Seiten ungeachtet aller auch persönlicher Anfeindungen zusammenraufen. Zahlreiche Probleme müssen an und auf der Strecke gelöst werden. Die Bahn ist Realität, nun sollte sie vom Zankapfel zur Chance werden, und sei es nur für die touristische Entwicklung des Südkreises.