Ein Sieg auf ganzer
Bahn-Linie
Verwaltungsgericht Köln entscheidet zugunsten der Wiehltalbahn
Das Verwaltungsgericht Köln
gab der Klage der Rhein-Sieg-Eisenbahn gegen die Entwidmung der
Wiehltalbahn durch die Bezirksregierung gestern in allen Punkten statt.
MICHAEL FENSTERMACHER
KÖLN. Wie groß die Tragweite
der Entscheidung war, konnte man an den voll besetzten Stuhlreihen im
Gerichtssaal erkennen. Nicht weniger als 30 Mitglieder und Freunde des
"Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn" fanden den Weg zum
Verwaltungsgericht am Kölner Appellhofplatz, um die Verhandlung über die
Zukunft der Strecke Osberghausen-Waldbröl zu verfolgen. Geklagt hatte
die Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH als Betreiber gegen die Entwidmung der
Strecke auf den Gebieten von Wiehl, Waldbröl und Reichshof.
Auch wenn das Urteil erst am
Nachmittag schriftlich verkündet wurde, konnten die Bahnfreunde den
Heimweg schon vorher in der Gewissheit antreten, dass die Zukunft ihres
Projektes fürs Erste gesichert ist: So eindeutig waren die von der
Vorsitzenden Richterin der 18. Kammer, Dr. Rita Zimmermann-Rohde,
geäußerten Positionen zu den alles entscheidenden Fragen des
Verkehrsbedürfnisses und der zu erwartenden Nutzung der Infrastruktur.
Nur wenn beides auf lange Sicht nicht mehr vorhanden ist, kann eine
Strecke nach dem Buchstaben des Eisenbahngesetzes freigestellt, also
entwidmet werden.
"Sie liegen falsch, wenn Sie
glauben, dass es bei der Feststellung dieser Voraussetzungen einen
Ermessensspielraum gibt", sagte sie an die Adresse der beklagten
Bezirksregierung und der beigeladenen kommunalen Vertreter gerichtet.
Diese hatten eine Gemeinwohlinteresse am Betrieb der Bahnstrecke
bestritten. "Beim Personenverkehr auf der Wiehltalbahn geht es nur um
ein touristisches Ereignis", führte Wiehls Bürgermeister Werner
Becker-Blonigen an. Eine weitere Nutzung durch den Güterverkehr sei nach
dem Ende der Holztransporte nach dem Orkan Kyrill nicht mehr zu
erwarten, fügte Rechtsanwalt Dr. Christian Giesecke hinzu.
Der Geschäftsführer der
Rhein-Sieg-Eisenbahn, Reiner Bohnet, und der Förderkreis-Vorsitzende
Gerd Mansel stellten sich dem entgegen: "Es gibt Kundengespräche über
eine dauerhafte Nutzung für Holztransporte." Die bestehende
Rechtsunsicherheit wirke dabei allerdings abschreckend. Zwar habe es
2008 noch keinen Güterverkehr auf der Strecke gegeben. "Das liegt aber
daran, dass auch die Holzwirtschaft Konjunkturschwankungen unterworfen
ist", so Mansel. Zahlen konnten die Bahnfreunde zum Pendelverkehr zu
Veranstaltungen wie Brauerei-Open-Air oder Weihnachtsmarkt nennen: "An
diesen Tagen transportieren wir 1200 bis 1600 Personen". Für die
Richterin waren diese Argumente ausreichend, um ein Verkehrsbedürfnis
festzustellen.
STRECKE IN MORSBACH
Nicht erfolgreich war die
Gemeinde Morsbach mit zwei vor dem Verwaltungsgericht verhandelten
Klagen, die sich gegen den Bahnverkehr auf der Strecke
Morsbach-Hermesdorf richteten. Zum einen hatte sie das Land NRW auf
Rücknahme einer bis 2058 gültigen Betriebsgenehmigung für die
Rhein-Sieg-Eisenbahn verklagt. Diese Klage wies das Gericht als
unzulässig zurück, da die Gemeinde durch die Genehmigung nicht in
eigenen Rechten verletzt werde. Über eine Freistellung der Strecke könne
nur das zuständige Eisenbahnbundesamt entscheiden. Als zivilrechtliche
Streitigkeit verwies die 18. Kammer unter Vorsitz von Rita
Zimmermann-Rohde den von der Gemeinde geltend gemachten Anspruch auf die
Feststellung, dass sie nicht zu einer Duldung des Eisenbahnbetriebs
verpflichtet sei, an das Landgericht Bonn. (mif)
REAKTIONEN
Für Gerd Mansel,
Vorsitzender des "Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn", gab es
gestern gleich doppelt Grund zum Feiern. Denn das Urteil des
Verwaltungsgerichts fiel mit seinem Geburtstag zusammen. "Heute Morgen
bin ich schon etwas angespannt nach Köln gefahren. Diese Anspannung hat
sich nun gelöst", verriet er der Oberbergischen Volkszeitung. Der Verein
werde die Arbeiten auf der Strecke nun intensiv fortsetzen, um sein
Ziel, mit den Triebwagen der Rhein-Sieg-Eisenbahn auch Waldbröl
anzufahren, bis 2009 umsetzen zu können.
Des einen Freud ist
bekanntlich des anderen Leid: "Sollen wir jetzt noch zehn Jahre lang
warten?", klagte Reichshofs Bürgermeister Gregor Rolland. Die
Bahnfreunde hätten es bislang nicht geschafft, einen regelmäßigen
Zugverkehr einzurichten, hemmten aber die Entwicklung von Unternehmen.
"Heute ist sehr deutlich
geworden, dass die Justiz für die Feststellung eines fehlenden
Verkehrsbedürfnisses hohe Hürden setzt", stellte der Wiehler
Rathaus-Chef Werner Becker-Blonigen fest. Dennoch gehe er davon aus,
dass das Land Nordrhein-Westfalen den Rechtsweg notfalls bis vor das
Bundesverwaltungsgericht beschreite. Falls auch dort kein Erfolg erzielt
werde, denke man aber bereits über Alternativen nach, wie beispielsweise
ein Bahnübergang in der Innenstadt. Dieser verursache nach Schätzungen
Werner Becker-Blonigens Kosten von rund 750 000 Euro.
Waldbröls Bürgermeister
Peter Koester wurde blass, als er die Nachricht hörte. Für ihn heißt es
jetzt "nach vorne blicken". Mit seinen Kollegen in Wiehl, Reichshof und
Morsbach werde er sich schnellstens zusammensetzen, um zu überlegen,
"wie wir uns nach diesem Urteil verhalten." (mif/mf)