Presseartikel

Oberbergische Volkszeitung, 30. Oktober 2008:

Zurück vom Abstellgleis
Sonntag fährt die restaurierte Dampflok "Waldbröl" wieder

PETER KREMPIN

DIERINGHAUSEN. Die Legende aus Stahl lebt. Am Sonntag steht der Kessel der dreiachsigen Dampflokomotive für Klein- und Privatbahnen, die "Waldbröl", nach einem 42-jährigen Dornröschenschlaf wieder unter Dampf. Als sei sie nie von Rostfraß und Schrottpresse bedroht gewesen, wird sie über die Drehscheibe im Eisenbahnmuseum auf die Strecke rollen. In Grün und Schwarz perfekt lackiert erscheint der Oberbau, das Fahrgestell ist leuchtend rot.

Bevor sie jedoch auf die Gleise der Deutschen Bahn Richtung Osberghausen darf, wird sie von einer angemieteten Diesellok ins Schlepp genommen. "Noch fehlt unserer ,Waldbröl' die Zugbeeinflussung", erläutert Christoph Timper. "Ohne dieses elektronische Sicherheitssystem darf keine Lok auf ein DB-Gleis."

Der gelernte Kfz-Techniker Timper stand der Lok erstmals 1984 gegenüber. Ihrem Charme erlag er augenblicklich. Auch wenn sie damals rostig, rußig und in tausend Einzelteile zerlegt im Dieringhausener Lokschuppen lag.

Seither kam die "Waldbröl" immer mal wieder auf die Seiten der Tageszeitung. Mal, weil dem Verein "Eisenbahnfreunde Flügelrad Oberberg" die Mitglieder abhanden zu kommen drohten, mal weil die Kreissparkasse Köln die Restaurierung des Kessels in Polen finanzierte, und mal, weil die optimistischen Hobby-Restauratoren versicherten, in wenigen Monaten mit ihrer Arbeit fertig zu sein.

Messinghandräder wurden originalgetreu nachgegossen

Nachdem die Museumsmitarbeiter Christoph Timper und Niels Neubauer 2007 ihre Arbeit aufnahmen, ging es voran. "Unsere Vorgänger haben den Aufwand der Restaurierung häufig unterschätzt", schmunzelt Neubauer.

Wie eine Dampflok Anfang des 20. Jahrhunderts überhaupt funktioniert, das haben sich beide im Laufe der Zeit selbst beigebracht. "Man lernt beim Schrauben", bekennt Timper. "Ich habe drei Monate nur Rohre verlegt, davon allein 260 Meter außerhalb des Kessels." Für viele Bedienelemente im Führerstand mussten die beiden erst deren Bedeutung ermitteln um sie anschließend nachbauen zu lassen." Zum Beispiel die preußischen Messinghandräder, mit denen unter anderem die Lichtmaschine angeworfen wird. Sie ließ man originalgetreu in Ostdeutschland gießen.

Wie perfekt Timper und Neubauer die Restauration gelang, bescheinigte den beiden kurz vor Fertigstellung ein Experte des DB-Dampflokwerks im thüringischen Meiningen. Zwei unabhängige Sachverständige, die die Lok im September abnahmen, hatten nur wenige Nachbesserungswünsche. Am vergangenen Sonntag bekam die "Waldbröl" ihre Zulassung.

Bei ihrer zweiten Jungfernfahrt am Sonntag wird übrigens Andreas Voll aus Marienhagen im Führerstand stehen. Vereinsmitglied, Besitzer zweier Loks selbständiger Lokführer und wohl noch immer Deutschlands jüngster Lokführer, hat er weit und breit als einziger die Lizenz, eine Lokomotive zu fahren.