Zurück vom Abstellgleis
Sonntag fährt die restaurierte Dampflok "Waldbröl" wieder
PETER KREMPIN
DIERINGHAUSEN. Die Legende
aus Stahl lebt. Am Sonntag steht der Kessel der dreiachsigen
Dampflokomotive für Klein- und Privatbahnen, die "Waldbröl", nach einem
42-jährigen Dornröschenschlaf wieder unter Dampf. Als sei sie nie von
Rostfraß und Schrottpresse bedroht gewesen, wird sie über die
Drehscheibe im Eisenbahnmuseum auf die Strecke rollen. In Grün und
Schwarz perfekt lackiert erscheint der Oberbau, das Fahrgestell ist
leuchtend rot.
Bevor sie jedoch auf die
Gleise der Deutschen Bahn Richtung Osberghausen darf, wird sie von einer
angemieteten Diesellok ins Schlepp genommen. "Noch fehlt unserer
,Waldbröl' die Zugbeeinflussung", erläutert Christoph Timper. "Ohne
dieses elektronische Sicherheitssystem darf keine Lok auf ein DB-Gleis."
Der gelernte Kfz-Techniker
Timper stand der Lok erstmals 1984 gegenüber. Ihrem Charme erlag er
augenblicklich. Auch wenn sie damals rostig, rußig und in tausend
Einzelteile zerlegt im Dieringhausener Lokschuppen lag.
Seither kam die "Waldbröl"
immer mal wieder auf die Seiten der Tageszeitung. Mal, weil dem Verein
"Eisenbahnfreunde Flügelrad Oberberg" die Mitglieder abhanden zu kommen
drohten, mal weil die Kreissparkasse Köln die Restaurierung des Kessels
in Polen finanzierte, und mal, weil die optimistischen
Hobby-Restauratoren versicherten, in wenigen Monaten mit ihrer Arbeit
fertig zu sein.
Messinghandräder wurden
originalgetreu nachgegossen
Nachdem die
Museumsmitarbeiter Christoph Timper und Niels Neubauer 2007 ihre Arbeit
aufnahmen, ging es voran. "Unsere Vorgänger haben den Aufwand der
Restaurierung häufig unterschätzt", schmunzelt Neubauer.
Wie eine Dampflok Anfang des
20. Jahrhunderts überhaupt funktioniert, das haben sich beide im Laufe
der Zeit selbst beigebracht. "Man lernt beim Schrauben", bekennt Timper.
"Ich habe drei Monate nur Rohre verlegt, davon allein 260 Meter
außerhalb des Kessels." Für viele Bedienelemente im Führerstand mussten
die beiden erst deren Bedeutung ermitteln um sie anschließend nachbauen
zu lassen." Zum Beispiel die preußischen Messinghandräder, mit denen
unter anderem die Lichtmaschine angeworfen wird. Sie ließ man
originalgetreu in Ostdeutschland gießen.
Wie perfekt Timper und
Neubauer die Restauration gelang, bescheinigte den beiden kurz vor
Fertigstellung ein Experte des DB-Dampflokwerks im thüringischen
Meiningen. Zwei unabhängige Sachverständige, die die Lok im September
abnahmen, hatten nur wenige Nachbesserungswünsche. Am vergangenen
Sonntag bekam die "Waldbröl" ihre Zulassung.
Bei ihrer zweiten
Jungfernfahrt am Sonntag wird übrigens Andreas Voll aus Marienhagen im
Führerstand stehen. Vereinsmitglied, Besitzer zweier Loks selbständiger
Lokführer und wohl noch immer Deutschlands jüngster Lokführer, hat er
weit und breit als einziger die Lizenz, eine Lokomotive zu fahren.