Presseartikel

Oberbergische Volkszeitung, 15. Juli 2008:

Etappensieg für die Wiehlbahn
Weiterer Gerichtsentscheid: Land muss Betriebsgenehmigung verlängern

Das Münsteraner Oberverwaltungsgericht hat entschieden, dass der Wiehltalbahn eine langfristige Betriebsgenehmigung zusteht. Was das für die Zukunft der Strecke bedeutet, ist unklar.

REINER THIES

AUS DEM KREIS. Der Beschluss des 20. OVG-Senats kam für alle Beteiligten unerwartet. Der Bahnförderkreis erhielt die Nachricht am Freitag von seinen Anwälten, die Kommunalbeamten erfuhren es heute aus unserer Zeitung. Die Bürgermeister von Wiehl, Waldbröl und Reichshof haben Urlaub oder waren sonst wie verhindernd. Ihre Stellvertreter wollten sich nur unter Vorbehalt äußern. Das mag auch am schwer verständlichen Juristendeutsch der Gerichtsbegründung liegen.

Sicher ist: Das OVG hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Köln vom Januar 2007 bestätigt und eine vom Land NRW beantragte Berufung auf Kosten des Landes abgewiesen. Das Kölner Gericht hatte damals entschieden, dass das Land der Wiehltalbahn eine längerfristige Betriebsgenehmigung erteilen muss und diese nicht weiterhin nur von Monat zu Monat verlängern darf.

Das OVG hat nun festgestellt, dass für die Genehmigung allein die Frage relevant ist, ob das jeweilige Eisenbahnunternehmen (in diesem Fall die vom Förderkreis beauftragte Rhein-Sieg-Eisenbahn) zuverlässig, finanziell leistungsfähig und fachkundig genug ist, eine Eisenbahnlinie zu betreiben. Wenn dies der Fall ist, gebe es einen Rechtsanspruch auf die Genehmigung. Dies sei ein rein verwaltungsrechtlicher Vorgang. Ohne Belang sei darum die zivilrechtliche Frage, ob die Eisenbahner infolge der Vertragskündigung durch die Eigentümerkommunen ihr Nutzungsrecht an der Schienenstrecke verloren haben. Das Gericht schreibt: "Die Problematik der ,Wiederbelebung' bzw. ,Abwicklung' der Wiehltalbahn mag vielschichtig und in mehrfacher Hinsicht bedeutsam sein. Ein grundsätzlicher Klärungsbedarf für im vorliegenden Verfahren entscheidungserhebliche Fragestellungen folgt daraus nicht."

Einfacher ausgedrückt: Betriebsgenehmigung und Streckenwidmung sind zwei paar Schuhe. Das heißt aber auch, dass die Zukunft der Bahn offen bleibt, solange nicht das Kölner Verwaltungsgericht über die Klage des Förderkreises gegen die Entwidmung durch die Bezirksregierung entschieden hat. Förderkreisvorsitzender Gerhard Mansel hält den OVG-Beschluss aber auch bezüglich der Entwidmung für "richtungsweisend". Immerhin wird auch in dieser Sache am Ende wahrscheinlich das Oberverwaltungsgericht das Wort haben.
 

KRITIK AN DEN ANWÄLTEN

Das OVG übt in seiner Begründung Kritik an den Anwälten des Landes. Zum einen werden eine Reihe von offenen Fragen angesprochen, die die Anwälte versäumt haben zu klären, etwa zur Wirksamkeit der Kündigung des Pachtvertrags.

Zudem stellen die Münsteraner Richter in Frage, ob der Berufungsantrag, der "thesenartig ohne nähere Erläuterungen" argumentiere und sich auf einen schlichten Widerspruch beschränke, überhaupt dem verfahrenstechnischen "Darlegungsgebot" genügt.

Schließlich wird kritisiert, dass der Berufsantrag darauf hinausläuft, "schwierige zivilrechtliche Fragestellungen der behördlichen Prüfung zu unterwerfen, obwohl deren Klärung Sache der Zivilgerichte ist".
 

KOMMENTAR

Plan B

von REINER THIES zur Wiehltalbahn

Noch ist nichts entschieden. Die verkehrspolitisch interessierte Öffentlichkeit wartet weiter auf den letztgültigen Urteilsspruch in Sachen Entwidmung, der wenn nicht in Köln, so dann spätestens in Münster fällt. Die vergleichsweise schnelle Entscheidung hinsichtlich der Betriebsgenehmigung lässt hoffen, dass die juristische Hängepartie nicht bis zum Sankt-Nimmerleinstag dauert.

Und noch mehr kann man im Kaffeesatz des OVG-Beschlusses lesen. Die Begründung lehrt zum einen: Der juristische Wind weht den Bahngegnern noch immer ins Gesicht. Das bedeutet zum anderen, dass die Gerichte der politischen Übermacht auf allen Ebenen nicht mehr Gewicht einräumen als Recht und Gesetz. Und dass ist ja grundsätzlich durchaus zu begrüßen.

Der Wiehler Bürgermeister als Speerspitze der Bahngegner predigt schon seit längerem Geduld. Die sollte aber nicht dazu führen, dass die Kommunen keinen Plan B in der Schublade haben. Denn dass man sich mit der Wiehltalbahn noch auf längere Zeit abfinden muss, ist nach dem neuen Urteil nicht unwahrscheinlicher geworden.