Oleftalbahn
Die Situation überdenken
Von F.A. Heinen
Die Nachricht, dass die "Rhein-Sieg-Eisenbahn" eine für 50 Jahre gültige
Betriebserlaubnis erhalten hat, stößt in den Gemeinden Kall und
Hellenthal auf ein geteiltes Echo. Schließlich hatte man andere Pläne.
"Wir werden ganz neu nachdenken müssen", sagte Hellenthals Bürgermeister
Manfred Ernst..
Hellenthal - Das Nachdenken setzte am Montag in der Gemeinde Hellenthal
ein, nachdem die Zeitungen die Nachricht verbreitet hatten, dass die
"Rhein-Sieg-Eisenbahn" (RSE) für die nächsten 50 Jahre eine
Betriebserlaubnis für die gesamte Strecke der Oleftalbahn von Kall bis
nach Hellenthal erhalten hat.
Bürgermeister Manfred Ernst geht davon aus, "dass die Pressemitteilung
stimmt". Damit sei ein Faktum geschaffen worden, das für die
wirtschaftliche Entwicklung "ab Blumenthal mehr als hinderlich sei".
Ernst erinnert daran, dass die Gemeinde geplant hatte, ein altes
Industriegebiet neben der Bahn über eine neue Zufahrt anzubinden. Das
werde nicht mehr möglich sein.
Dass eine Bahnlinie für den Tourismus auch eine Chance darstellen könne,
sei ihm schon klar: "Vom Grundsatz her sehe ich eine Chance, aber keine
so große." Er habe selbst mehrfach bei Radtouren im Tal den Zug fahren
sehen und festgestellt, dass er "die Häupter der Fahrgäste zählen"
könne. Ernst: "Wir werden deshalb am Bahnhof keinen neuen Kiosk
einrichten müssen."
Der Bürgermeister richtete den Blick in die Zukunft: "Wir werden ganz
neu nachdenken müssen. Da nützt kein Jammern und kein Lamentieren."
Ernst hielt es spontan für sinnvoll, eine konzertierte Aktion aller
Anrainer-Gemeinden zu starten.
Alles vorstellbar
Ähnlich sah das auch Heinz-Bert Weimbs von der SPD-Ratsfraktion. Die SPD
sei nicht für die Bahnlinie, aber sie könne damit leben. "Man muss auch
verlieren können." Das von den Bahnaktivisten am Samstag angekündigte
Shuttle von der Oleftalbahn zum Wildfreigehege hält Weimbs allerdings
für ziemlich utopisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so
lange fahren möchte." Attraktiv sei ein Zug allenfalls für die Orte
Blumenthal und Hellenthal, die direkt an der Schiene liegen. Weimbs
führte als Beispiel an, dass die Hälfte der Mitarbeiter von Schoeller
trotz der hohen Spritpreise alleine mit dem Auto zur Arbeit käme.
Andererseits richtete Weimbs den Blick in die Zukunft: "Grundsätzlich
habe ich schon Probleme gehabt, die Bahn zu schließen. Vorstellen kann
ich mir prinzipiell alles. Die Situation ist jetzt neu, da muss man
umdenken." Weimbs hofft, dass das Thema im Rat diskutiert werden wird:
"Die SPD will die Diskussion auf jeden Fall führen."
Total überrascht wurde am Montagmorgen der CDU-Fraktionsvorsitzende Paul
Peters. Er hatte bisher ganz andere Informationen: "Man hatte uns
gesagt, die Strecke Kall-Schleiden sei verpachtet, aber nicht die
Strecke nach Hellenthal." Offenbar sei der Hellenthaler Rat falsch
informiert worden. Peters erstes Fazit: "Wenn es so ist, hat sich bei
uns alles zerschlagen. Für mich ist das unvorstellbar, was da abläuft.
Dann werden wir mal mit Verkehrsminister Oliver Wittke reden müssen."
Der Kaller Bürgermeister Herbert Radermacher blieb gestern bei der
bisherigen ablehnenden Position der Gemeinde: "Die Realität wird es
nachher zeigen. Es wird sich nicht so einstellen, wie die
Oleftalbahn-Fans es im Moment sehen. Ich kann dem nichts Positives
abgewinnen."
Kommentar
Eine Chance für die Zukunft
F.A. Heinen zur Reaktivierung der Oleftalstrecke.
Was aus Sicht Hellenthaler Kommunalpolitiker auf den ersten Blick wie
eine Hiobsbotschaft klingt, kann man durchaus auch als frohe
Weihnachtsbotschaft auffassen. Hellenthal hat sich mit seinem ökologisch
schön grün angestrichenen gemeindlichen Leitbild besonders
umweltpolitische Ziele auf die Fahnen geschrieben. Das steht einer
Kommune, die sich Nationalpark-Gemeinde nennt, auch gut zu Gesicht. Da
macht es Sinn, sich auch über eine Eisenbahn-Anbindung zu freuen. Gerade
im Tourismus liegt für Hellenthal eine Zukunftschance. Im Tourismus aber
ist "keine Bahnanbindung" für viele Menschen absolut uninteressant.
Und wenn man mal versucht, die nun bei der Landesregierung geschaffenen
Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, dann bedeutet das, dass die Bahnlinie
den Hellenthalern, ob sie wollen oder nicht, erhalten bleibt. In einer
solchen Situation wäre die Politik vermutlich gut beraten, noch einmal
nachzudenken, ob es sinnvoll ist, eine nur sonntags ein paar Mal
genutzte Sommer-Bahnverbindung zu haben, oder ob sich daraus nicht noch
was Besseres machen lässt. Wenn die Schienen schon bleiben, dann könnte
man sie ja auch so nutzen, wie sich das für eine richtige Bahnlinie
gehört: Indem man Personen- und Güterzüge darauf rollen lässt.
Das gilt übrigens auch für die Nationalpark-Gemeinde Kall. Die hätte
zwar auch ohne Oleftalbahn einen Bahnanschluss (Strecke Köln-Trier),
aber auch hier gilt es, sich mit den neuen Gegebenheiten abzufinden und
nach vorne zu schauen. Überlegungen, was man mit der nicht mehr
genutzten Trasse ins Schleidener Tal stadtplanerisch anstellen könne,
gehören der Vergangenheit an. Es ist müßig, dem hinterherzutrauern. Die
künftige Politik, der neue Gemeinderat, aber auch der neue Hellenthaler
Bürgermeister werden sich daran messen lassen müssen, ob sie
verkehrspolitisch die Zeichen der Zeit erkennen. Egal auf welchen Höhen
gerade der Benzinpreis steht, Individualverkehr wird sicher nicht mehr
billiger, sondern teurer. Also: Packt es endlich an!