Presseartikel

Kölner Stadtanzeiger, 14./15. Dezember 2008:

Oleftalbahn
Die Situation überdenken

Von F.A. Heinen

Die Nachricht, dass die "Rhein-Sieg-Eisenbahn" eine für 50 Jahre gültige Betriebserlaubnis erhalten hat, stößt in den Gemeinden Kall und Hellenthal auf ein geteiltes Echo. Schließlich hatte man andere Pläne. "Wir werden ganz neu nachdenken müssen", sagte Hellenthals Bürgermeister Manfred Ernst..

Hellenthal - Das Nachdenken setzte am Montag in der Gemeinde Hellenthal ein, nachdem die Zeitungen die Nachricht verbreitet hatten, dass die "Rhein-Sieg-Eisenbahn" (RSE) für die nächsten 50 Jahre eine Betriebserlaubnis für die gesamte Strecke der Oleftalbahn von Kall bis nach Hellenthal erhalten hat.

Bürgermeister Manfred Ernst geht davon aus, "dass die Pressemitteilung stimmt". Damit sei ein Faktum geschaffen worden, das für die wirtschaftliche Entwicklung "ab Blumenthal mehr als hinderlich sei". Ernst erinnert daran, dass die Gemeinde geplant hatte, ein altes Industriegebiet neben der Bahn über eine neue Zufahrt anzubinden. Das werde nicht mehr möglich sein.

Dass eine Bahnlinie für den Tourismus auch eine Chance darstellen könne, sei ihm schon klar: "Vom Grundsatz her sehe ich eine Chance, aber keine so große." Er habe selbst mehrfach bei Radtouren im Tal den Zug fahren sehen und festgestellt, dass er "die Häupter der Fahrgäste zählen" könne. Ernst: "Wir werden deshalb am Bahnhof keinen neuen Kiosk einrichten müssen."

Der Bürgermeister richtete den Blick in die Zukunft: "Wir werden ganz neu nachdenken müssen. Da nützt kein Jammern und kein Lamentieren." Ernst hielt es spontan für sinnvoll, eine konzertierte Aktion aller Anrainer-Gemeinden zu starten.

Alles vorstellbar

Ähnlich sah das auch Heinz-Bert Weimbs von der SPD-Ratsfraktion. Die SPD sei nicht für die Bahnlinie, aber sie könne damit leben. "Man muss auch verlieren können." Das von den Bahnaktivisten am Samstag angekündigte Shuttle von der Oleftalbahn zum Wildfreigehege hält Weimbs allerdings für ziemlich utopisch: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand so lange fahren möchte." Attraktiv sei ein Zug allenfalls für die Orte Blumenthal und Hellenthal, die direkt an der Schiene liegen. Weimbs führte als Beispiel an, dass die Hälfte der Mitarbeiter von Schoeller trotz der hohen Spritpreise alleine mit dem Auto zur Arbeit käme.

Andererseits richtete Weimbs den Blick in die Zukunft: "Grundsätzlich habe ich schon Probleme gehabt, die Bahn zu schließen. Vorstellen kann ich mir prinzipiell alles. Die Situation ist jetzt neu, da muss man umdenken." Weimbs hofft, dass das Thema im Rat diskutiert werden wird: "Die SPD will die Diskussion auf jeden Fall führen."

Total überrascht wurde am Montagmorgen der CDU-Fraktionsvorsitzende Paul Peters. Er hatte bisher ganz andere Informationen: "Man hatte uns gesagt, die Strecke Kall-Schleiden sei verpachtet, aber nicht die Strecke nach Hellenthal." Offenbar sei der Hellenthaler Rat falsch informiert worden. Peters erstes Fazit: "Wenn es so ist, hat sich bei uns alles zerschlagen. Für mich ist das unvorstellbar, was da abläuft. Dann werden wir mal mit Verkehrsminister Oliver Wittke reden müssen."

Der Kaller Bürgermeister Herbert Radermacher blieb gestern bei der bisherigen ablehnenden Position der Gemeinde: "Die Realität wird es nachher zeigen. Es wird sich nicht so einstellen, wie die Oleftalbahn-Fans es im Moment sehen. Ich kann dem nichts Positives abgewinnen."



Kommentar
Eine Chance für die Zukunft

F.A. Heinen zur Reaktivierung der Oleftalstrecke.

Was aus Sicht Hellenthaler Kommunalpolitiker auf den ersten Blick wie eine Hiobsbotschaft klingt, kann man durchaus auch als frohe Weihnachtsbotschaft auffassen. Hellenthal hat sich mit seinem ökologisch schön grün angestrichenen gemeindlichen Leitbild besonders umweltpolitische Ziele auf die Fahnen geschrieben. Das steht einer Kommune, die sich Nationalpark-Gemeinde nennt, auch gut zu Gesicht. Da macht es Sinn, sich auch über eine Eisenbahn-Anbindung zu freuen. Gerade im Tourismus liegt für Hellenthal eine Zukunftschance. Im Tourismus aber ist "keine Bahnanbindung" für viele Menschen absolut uninteressant.

Und wenn man mal versucht, die nun bei der Landesregierung geschaffenen Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, dann bedeutet das, dass die Bahnlinie den Hellenthalern, ob sie wollen oder nicht, erhalten bleibt. In einer solchen Situation wäre die Politik vermutlich gut beraten, noch einmal nachzudenken, ob es sinnvoll ist, eine nur sonntags ein paar Mal genutzte Sommer-Bahnverbindung zu haben, oder ob sich daraus nicht noch was Besseres machen lässt. Wenn die Schienen schon bleiben, dann könnte man sie ja auch so nutzen, wie sich das für eine richtige Bahnlinie gehört: Indem man Personen- und Güterzüge darauf rollen lässt.

Das gilt übrigens auch für die Nationalpark-Gemeinde Kall. Die hätte zwar auch ohne Oleftalbahn einen Bahnanschluss (Strecke Köln-Trier), aber auch hier gilt es, sich mit den neuen Gegebenheiten abzufinden und nach vorne zu schauen. Überlegungen, was man mit der nicht mehr genutzten Trasse ins Schleidener Tal stadtplanerisch anstellen könne, gehören der Vergangenheit an. Es ist müßig, dem hinterherzutrauern. Die künftige Politik, der neue Gemeinderat, aber auch der neue Hellenthaler Bürgermeister werden sich daran messen lassen müssen, ob sie verkehrspolitisch die Zeichen der Zeit erkennen. Egal auf welchen Höhen gerade der Benzinpreis steht, Individualverkehr wird sicher nicht mehr billiger, sondern teurer. Also: Packt es endlich an!