Oberbergische Volkszeitung, 13. Februar 2007 "Bösartigkeiten unter
der Gürtellinie" WIEHL. Der Anruf kam nachts um 0.45 Uhr: "Sie werden ab jetzt nur noch schlaflose Nächte haben", drohte der anonyme Anrufer. Da es dann doch bei einer einmaligen Ruhestörung blieb, ist Thomas Gaisbauer unbeeindruckt. "Ich habe in den folgenden Nächten gut geschlafen", versichert der Beigeordnete. Der Anrufer hatte keinen Zweifel daran gelassen, warum er den städtischen Beamten bedrohte: Der Einsatz der Stadt für die Stilllegung der Wiehltalbahn sorgt für böses Blut. Bürgermeister Werner Becker-Blonigen wurde nachts um 1.30 Uhr sogar angedroht, dass ihm das Haus angezündet wird. Er möge auf seine Familie aufpassen. Der Bürgermeister hat Strafanzeige gestellt. Die Polizei ermittelt. Auch im Diskussionsforum der Homepage der Stadt Wiehl ist die Auseinandersetzung eskaliert. Beigeordneter Gaisbauer berichtet von "Bösartigkeiten unter der Gürtellinie". Ähnlich erging es dem Ortsverein der Jungen Union. Die JU hat kürzlich eine Kampagne gegen die Wiehltalbahn angekündigt und wurde fortan mit unerwünschter elektronischer Post aus ganz Deutschland überschüttet: "Wir hatten im Gästebuch nur noch Drohmails", berichtet JU-Vorsitzender Markus Jobsky, "darunter persönliche Beschimpfungen aus der untersten Schublade". Zunächst wurde das Gästebuch geschlossen. Als dann die Kontaktadresse mit wütenden Mails bombardiert wurde, entschloss sich die JU, die Homepage bis auf weiteres ganz aus dem Netz zu nehmen. "Unsere Pressemitteilung
gegen die Wiehltalbahn war sehr hart formuliert", gibt Jobsky zu.
"Mit solch einer Reaktion hatten wir aber nicht gerechnet." Die
Junge Union will jetzt erst einmal Ruhe einkehren lassen. Die
Kampagne wurde auf Eis gelegt. (tie) KOMMENTAR Zu aggressiv Beleidigungen, Telefonterror oder gar Morddrohungen sind kein Mittel der politischen Auseinandersetzung, sondern Fälle von Kriminalität. Die Frage ist: Handelt es sich hier um abseitige Einzelfälle oder um Auswüchse einer verbreiteten Aggressivität, die die politische Atmosphäre im Südkreis nachhaltig zu vergiften droht? Im Streit um die Zukunft der Wiehltalbahn sollte auf beiden Seiten nicht vergessen werden, dass es auch die gegnerische Position ohne Zweifel auf der Überzeugung gründet, dass man dem Gemeinwohl dient. Die juristische Situation ist so kompliziert, dass die Gerichte noch so manches Wort mitsprechen werden. Im Endeffekt geht es aber um eine politische Weichenstellung. Auch auf unseren Leserbriefseiten lässt sich ablesen, dass die Bahnbefürworter mit Herzblut kämpfen. Dass die Ratsmehrheiten es nicht vermögen, im gleichem Maß eine Bürgerbewegung gegen die Wiehltalbahn zu mobilisieren, mag in der Natur der Sache liegen. Offenbar haben Verwaltungen und Politik aber auch versäumt, der Bevölkerung zu vermitteln, dass die Stilllegung der Bahn ein positives Zukunftsprojekt sein soll und kein bloßer Zerstörungsakt. Die Wiehltalbahner
stellen sich insofern durchaus erfolgreich als David im Kampf
gegen Goliath dar. Die Verantwortlichen im Bahnförderkreis
sollten ihren Einfluss geltend machen, dass die Stadtväter nicht
darüber hinaus als Monster diffamiert, sondern auch von den
Bahnfreunden mit Respekt behandelt werden. Beachten Sie
bitte auch die Stellungnahme des
Förderkreises sowie einen Beitrag der SPD Wiehl, erschienen
im Sommer 2007 (pdf-Datei,
hier klicken). |