Presseartikel

Lok-Report, Ausgabe 2/2007:

Prekäres Streckenjubiläum im Wiehltal

Bereits im LOK Report 4/06 berichtete der Verfasser über den geistigen Kreisverkehr der Politik im Wiehltal. Der angekündigte Kreisverkehr vordem Bahnhof Wiehl, dessen Zufahrt die Gleise durchtrennen würde, ist mittlerweile amputiert in den Betrieb gegangen: denn die Strecke existiert weiter. Die bis knapp an das Schienenprofil aufgetürmten Asphaltmengen ergeben keinen Kreisverkehr, eine einmündende Straße hätte den selben Zweck erfüllt. Genau 100 Jahre nach der Eröffnung des Schienenverkehrs zwischen Wiehl und Waldbröl, am 15. Dezember 2006, trafen sich die Bürgermeister von Wiehl, Waldbröl, Morsbach und Reichshof. Ziel und Zweck der Veranstaltung war mitnichten das Streckenjubiläum zu feiern, sondern deren mögliches Todesurteil zu unterschreiben. Für 1,14 Millionen Euro haben die Kommunen die Strecke erworben. Waldbröl erhält dafür einen Kredit von 450 000 Euro vom Landesbetrieb Straßenbau NRW. Die vernichtete Strecke soll als Ausgleichsmaßnahme für neue Straßen herhalten. Morsbach wird wiederum von Waldbröl, Wiehl und Reichshof mit 150 000 Euro unterstützt, um die denkmalgeschützten Viadukte abreißen zu können. Konkret geht es um den geplanten Kreisverkehr in Waldbröl, dessen Bau ohne Bahnstrecke einfacher wird. Die Steuergelder werden dafür verwendet, dass die Autofahrer demnächst etwas schneller vor der nächsten roten Ampel stehen. Mit einem Verkehrskonzept nach dem Motto »sicher in die 50er Jahre« möchte man den Autoverkehr um jeden Preis, und sei es nur ein Sekundengewinn in Waldbröl, weiter ausbauen. Dem globalen Klimawandel zum Trotz, und alle Ölpreissteigerungen von absehbaren 200 US-$/Barrel ignorierend. Trotz der hohen Bevölkerungsdichte und positiven Gutachten zur Streckenzukunft soll die Strecke auf dem Altar der heimischen Industrie geopfert werden. Antriebsfeder sind die Bergischen Achsenwerke. Ihr Werk wird von der Strecke in Wiehl als »Achse des Bösen« zerschnitten.
Glaubhafte Argumente, dass die Industrie nachhaltig Arbeitsplätze vor Ort sichert, wenn sie die Strecke zerstückeln darf, sind bisher nicht bekannt geworden. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die Politik einmal mehr vor den angedrohten Standortnachteilen einknickt. Im Januar wird vor dem Verwaltungsgericht Köln eine Klage des betriebsführenden Eisenbahninfrastrukturunternehms, der Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH, verhandelt. In den letzten zwei Jahren hat der Förderkreis Wiehltalbahn die Bahnsteige saniert, Schotter aufgefüllt und Signaltafeln gesetzt. Seit 1999/2000 fahren Tourismus- und Güterzüge von Osberghausen bis Oberwiehl; im Jahre 2007 wird Waldbröl erreicht. (Wolfgang Clössner)