Prekäres Streckenjubiläum
im Wiehltal
Bereits im LOK Report 4/06
berichtete der Verfasser über den geistigen Kreisverkehr der Politik im
Wiehltal. Der angekündigte Kreisverkehr vordem Bahnhof Wiehl, dessen
Zufahrt die Gleise durchtrennen würde, ist mittlerweile amputiert in den
Betrieb gegangen: denn die Strecke existiert weiter. Die bis knapp an
das Schienenprofil aufgetürmten Asphaltmengen ergeben keinen
Kreisverkehr, eine einmündende Straße hätte den selben Zweck erfüllt.
Genau 100 Jahre nach der Eröffnung des Schienenverkehrs zwischen Wiehl
und Waldbröl, am 15. Dezember 2006, trafen sich die Bürgermeister von
Wiehl, Waldbröl, Morsbach und Reichshof. Ziel und Zweck der
Veranstaltung war mitnichten das Streckenjubiläum zu feiern, sondern
deren mögliches Todesurteil zu unterschreiben. Für 1,14 Millionen Euro
haben die Kommunen die Strecke erworben. Waldbröl erhält dafür einen
Kredit von 450 000 Euro vom Landesbetrieb Straßenbau NRW. Die
vernichtete Strecke soll als Ausgleichsmaßnahme für neue Straßen
herhalten. Morsbach wird wiederum von Waldbröl, Wiehl und Reichshof mit
150 000 Euro unterstützt, um die denkmalgeschützten Viadukte abreißen zu
können. Konkret geht es um den geplanten Kreisverkehr in Waldbröl,
dessen Bau ohne Bahnstrecke einfacher wird. Die Steuergelder werden
dafür verwendet, dass die Autofahrer demnächst etwas schneller vor der
nächsten roten Ampel stehen. Mit einem Verkehrskonzept nach dem Motto
»sicher in die 50er Jahre« möchte man den Autoverkehr um jeden Preis,
und sei es nur ein Sekundengewinn in Waldbröl, weiter ausbauen. Dem
globalen Klimawandel zum Trotz, und alle Ölpreissteigerungen von
absehbaren 200 US-$/Barrel ignorierend. Trotz der hohen
Bevölkerungsdichte und positiven Gutachten zur Streckenzukunft soll die
Strecke auf dem Altar der heimischen Industrie geopfert werden.
Antriebsfeder sind die Bergischen Achsenwerke. Ihr Werk wird von der
Strecke in Wiehl als »Achse des Bösen« zerschnitten.
Glaubhafte Argumente, dass die Industrie nachhaltig Arbeitsplätze vor
Ort sichert, wenn sie die Strecke zerstückeln darf, sind bisher nicht
bekannt geworden. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass die
Politik einmal mehr vor den angedrohten Standortnachteilen einknickt. Im
Januar wird vor dem Verwaltungsgericht Köln eine Klage des
betriebsführenden Eisenbahninfrastrukturunternehms, der
Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH, verhandelt. In den letzten zwei Jahren hat
der Förderkreis Wiehltalbahn die Bahnsteige saniert, Schotter aufgefüllt
und Signaltafeln gesetzt. Seit 1999/2000 fahren Tourismus- und Güterzüge
von Osberghausen bis Oberwiehl; im Jahre 2007 wird Waldbröl erreicht.
(Wolfgang Clössner)
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